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Studium und Hartz IV

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Die Süddeutsche berichtet in ihrer Print-Ausgabe vom 18.07.2009 sowie in ihrer Mittwoch-Online-Ausgabe einen Tag zuvor über die gemeinsame Geisteshaltung, die hinter Hartz IV und dem Bologna-Prozess steckt.

Hier werden tatsächlich interessante Parallelen in der zu Grunde liegenden Geisteshaltung deutlich: Die Paradigmen könnten etwa lauten

  • Mangelnde Leistungsbereitschaft: Studenten wie Hartz IV-Bezieher wollen keine Leistung erbringen
  • Notwendigkeit der Kontrolle: Ohne fortwährende Kontrolle wird das System unterlaufen, ausgenutzt und ineffizient.
  • Notwendigkeit von Bürokratie / Mangelverwaltung: Nur durch einen Apparat von Kontrolleuren und Verwaltern kann sichergestellt werden, dass die (begrenzten) Leistungen so verteilt werden, dass keine zu eklatanten Löcher entstehen.
  • Orientierung am worst-case: Relevant bei der Bemessung und Bewertung durch die Administration ist nicht der Idealfall oder überhaupt irgendein Ideal, sondern der schlimmstmögliche Fall: Das System  ist hier wie da auf  Schmarotzer, Leistungsverweigerer und Totalversager ausgelegt.
  • Anti-Humanismus: Der Mensch ist faul und egozentrisch; ein Grundrecht bzw. Menschenrecht auf Bildung bzw. Unterhalt kommt ihm nicht oder nur eingeschränkt zu; Er ist passiver Leistungsempfänger.

Ich denke, es ließen sich noch einige Punkt mehr finden, vieles mag sich überschneiden. Interessant finde diese Aufzählung auch deshalb, weil der neue “Pragmatismus” (oder wie man es auch sonst nennen mag) für sich eben in Anspruch nimmt, unmittelbar auf die “Realität” hin optimiert zu sein. Wie sehr diese Realität aber von der Geisteshaltung der Betrachter abhängt, wird dabei einfach unterschlagen. Das finde ich auch und gerade deshalb erschreckend, weil da auf Grundlage irgendwelcher empirischen Studien “optimiert” wird, deren versteckten Grundannahmen kein Mensch mehr hinterfragt.

Beide Prozesse werden uns langfristig sicher mehr kosten, als angenommen wurde. Bei Hartz IV gibt es heute schon Hinweise darauf, dass dort nicht wirklich Geld eingespart wird – etwa weil laufend Prozesskostenhilfe für Menschen gezahlt werden muss, die (berechtigt!) gegen irgendwelche Sachbearbeiter-Entscheidungen klagen.

Und auch die Verschulung der Universitäten, die mangelnde Förderung des kritischen Denkens, das Verschwinden des Dialogs aus den Seminaren und die Vermengung von Wissenschaft und Wirtschaft werden wir vielleicht auf eine Art bezahlen, die die Realisten, Pragmatiker und Empiriker sicher nicht in ihre Kalkulation berücksichtigt haben.


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